Das amerikansiche Technologie-Paradoxon
Versuch einer Antwort auf die Frage, ob iPad & iPhone das Leben vereinfacht oder komplizierter erscheinen lässt.
Manchmal weiß man nicht, ob das, was einer sagt, wirklich ernst gemeint sein kann – besonders dann, wenn der Betreffende für seinen Humor bekannt ist. So konnte es einem im vergangenen Jahr auf dem M-Days Kongress in Frankfurt gehen. Vor technisch geschultem Publikum erzählte der auf der Bühne stehende Referent, es gebe nur ein einziges mobiles Betriebssystem, welches das Leben komplizierter mache: iOS auf dem iPad und iPhone!
Da der bekannte Referent u.a. als Kabarettist sein Geld verdient, hätte es sich um einen Scherz handeln können. Doch im Publikum, das überwiegend aus Entwicklern, Händlern und Anwendern bestand, wurde weder gelacht noch protestiert! Selbst er Referent ist kenesweg der einzige iOS-Entwickler, der einen gelassenen, gleichwohl vernünftigen Umgang mit dem iPad und dem iPhone für sinnvoll und geboten hält.
Als Steve Jobs damals das iPhone vorstellte, unterstrich er, dass es nicht nur ein Telefon sei, sondern auch ein Email-Client und ein Internetbrowser – in einem einzigen Gerät. Alle Funktionalitäten in einem Gerät zu beherbergen ist durchaus ein positiver Effekt. Ist es nicht so in unserem Bekanntenkreis, dass man den Satz,
„Was würde ich ohne die Technik anfangen?“,
sehr oft hört? Ja, die Technologie und die neuen Features sind ein Anlass, das eigene Leben zu erleichtern – in vielerlei Hinsicht. Aber es fängt schon beim Kauf eines Gerätes an, gerade wenn der Käufer ein Early Adopter ist. Als frühzeitiger Anwender stellt man sich gerne in die meterlangen Schlangen vor einen AppleStore und lässt sich beim Eintritt in die heiligen Hallen auch noch gebürend feiern. Voller Stolz ist der Nutzer – mit den richtigen Apps – nun in der Lage zu seinem Ziel zu navigieren, ohne den dicken SHELL-Atlas im Kofferraum zu bemühen, die Musik aus seiner Lieblings-Playliste zu hören und das Internet von unterwegs zu geniessen. Mit den Freunden danke Email und Social Networks im ständigen Kontakt bleiben, im Lieblings-Online-Shop etwas einkaufen und zu sich nach Hause liefern lassen oder sich einfach im Internet informieren oder gar über diverse Anwendungen belehren lassen. Nicht zu vergessen, den Unterhaltungswert mit eigenen Videos auf dem mobilen Endgerät steigern lassen. In alle unsere Lebenssituationen greift die iOS-Technologie ein. Wir fühlen uns flexibel und können in der Gesellschaft ein höheres Engagement leisten. Vor einigen Jahrzehnten war diese technische Flexibilität und Möglichkeiten absolut undenkbar.
Dass dieser Fortschritt aber auch das Leben nicht nur vereinfachen kann, sondern es komplizierter ercheinen lässt, dürfte uns auch bekannt sein. Die Entwicklung passiert rasent schnell. Als damals ein Gerät noch 3-5 Jahre aktuell gewesen ist, sind wir heute froh, wenn eine Geräteversion ein Jahr überlebt, bevor der Nachfolger auf dem Markt erscheint. Alles passiert subito. Da plötzliche Technologieerweiterungen überraschen kommen, sollten wir uns zwei Gefahrenpunkte vor Augen halten:
Abhängigkeit und Zwang.
Wie viele Kommunikationskanäle habt ihr?
Sicherlich haben wir eine Emailadresse, ach was schreibe ich hier, wir haben mehrere Emailadressen, im Idealfall eine für die private und geschäftliche Kommunikation. Das war es schon? Das ich nicht laut lache. Dann haben wir noch die Sozialen Netzwerke, wie twitter (Direkte Nachricht), facebook (private Nachricht), Google+ (Nachricht an einen bestimmten Kreis), studiVZ, Wer-kennt-wen, StayFriends, Xing, LinkedIn etc. Wenn ihr Euch die Top 100 Sozialen Netzwerke in Deutschland anschauen wollt, empfehle ich Euch den Link von online.ich.de, in welchem Artikel unsere populärsten Sozilane Netzwerke beschrieben werden.
Jetzt frage ich Euch, wann ihr bitte alle diese Netzwerke pflegen und Anfragen beantworten könnt? Verspürt ihr hier nicht einen gewissen Zwang, innerhalb küzester Zeit auf Eure Messages zu antworten? Nutzt ihr da nicht schon einmal einen Toilettengang, um Euch dort länger aufzuhalten, um in Ruhe alle Anfragen zu beantworten?
Task-Manager
Viele Apps gleichzeitig aufhaben und hier etwas kopieren, in der anderen App einsetzen und dann posten. Das hat was von Windows, oder?!
Being Alone
Habt ihr das Haus schon einmal ohne das iPhone verlassen? Nicht absichtlich schätze ich. Denn wenn ihr es bemerken würdet, ihr würdet auf kürzestem Weg wieder zurück ins Haus geben, um das iPhone zu holen. Das Gerät ist ja heute nicht nur ein Telefon. Das Leben mit allen eigenen Terminen und Emails sind auf dem iPhone drauf. Da kann man unmöglich ohne dieses Gerät das Haus verlassen. Wehe aber, man merjt es nicht. Da fühlt man sich halb leer, es fühlt sich nach Einsamkeit an – being alone.
Verlangen nach iPad & iPhone
Die Verkaufspsychologie und der Vermarktungsanssatz vom amerikanischen Konzern macht es exakt richtig. Unsere Synapsen werden angesprochen, die Leichtigkeit unserer Lebenssituation wird stark in den Vordergrund gesetzt, so dass wir das Gerät haben möchten, ach sogar ungedingt wollen. Mit jeder Geräteklasse wird eine Tugend revolutioniert. Experten aus allen Bereich haben mehrere Jahre Entwicklungsarbeit in das Produkt gesetzt. Das impliziert schon automatisch, dass es das beste Produkt auf dem Markt ist.
Der Porsche-Effekt
Habt ihr Euch mal in einem Porsche-Club umgesehen und Euch mit den Mitgliedern unterhalten? Mir ist da mit dem Internetportal KissMyDrive folgende Beobachtung aufgefallen: Eine Schar voller pseudo-sportlicher Männer unterhalten sich über ihre Männerthemen. Auf die Frage, „Hey, was fährst Du für ein Auto“, scheint es nur zwei Antworten im Club zu geben:
- Porsche
- 911er
In der ersten Antwort gibt der Fahrer eine allgemeine Marke an, die als sehr sportlich und teuer gilt. In Wirklichkeit fährt dieser Mann aber einen alten gebrauchten Porsche 924 für nur EUR 19.000,- und schämt sich eigentlich dafür. Allerdings weiß ja niemand, welches Fahrzeug sich tatsächlich bei der Antwort „Porsche“ verbirgt. Anders bei der zweiten Antwort. Hier wird klar kommuniziert, dass man den besten Porsche im Stall fährt. Der 911 ist das Flaggschiff der Sportschmiede und Preise über EUR 120.000,- sind keine Seltenheit.
Hätte Apple noch ein anderes Smartphone im Programm, möglichreweise ein Einsteigermodell, würde man auf die Frgae, welches Handy man hätte, durchaus auch mal „ein Apple-Handy“ sagen. Das könnte das iPhone sein, könnte aber auch das besagte EInsteigermodel implizieren. Diejenigen, die ein iPhone besitzen, sagen auch nicht, sie haben ein Smartphone oder Handy, sondern geben gleich deutlich klar, sie telefonieren mit einem iPhone. Dies impliziert automatisch, dass man sie per iMessage kostenfrei kontaktieren kann (Achtung: Weiterer Kommunikationskanal) und Ihnen ein Preis von EUR 829,- nichts ausmacht. Schliesslich nutzen sie das Gerät täglich und greifen auf fast die komplette Funktionalität zurück.
Die Jauchfrage
Der Moderator Günther Jauch hatte in seiner Show ein für diesen Beitrag einprägsames Erlebnis. Auf die Frage, was wohl mit dem Gewinn geamcht wird, teilte die Gewinnerin mit, dass Ihre Schwester ein iPhone bekommen soll. Jauch fühlt sich bekräftigt und möchte auf einer fachlichen Ebene wissen, ob ein iPhone der Version 4 oder 5 es sein soll. Die Antwort erhaltet ihr im folgedem Video:
Diese witzige Kommunikation lässt keinen Zweifel übrig, wie unterschiedlich die Gesprächsebenen ausgeprägt sein können. Ich sage nur, „5 iPhones gegen Jauch“ – einfach herrlich diese Szene.
Lebensqualität & Fazit
Gar keine Frage. Ein iPad oder ein iPhone steigert unsere Lebensqualität in puncto Schnelligkeit, Genauigkeit und Flexibilität. Ich werde gefeiert, wenn ich als Early Adopter eines dieser Geräte kaufe, ich komme in den Genuss der vielfältigen App-Welt aus dem iTunes AppStore und alle Funktionalitäten scheinen intuitiv zu sein. Wenn ich damit umgehen kann und mich nicht von der Technologie abhängig mache, habe ich eien Chance, ohne Zwang in der Gesellschaft viel Freude mit den Geräten zu haben. Beim Arzt 30 Minuten Wartezeit mit einem iPad-Game zu überbrücken ist eine hervorragende Lösung. Eine gewöhnliche 5-minütige WC-Sitzung in eine 30-minütige Zeitspanne auszudehnen, um krampfhaft allen Nachrichten gerecht zu werden, ist fragwürdig und unentspannt. Hier würde ich mir weitere Gedanken machen, ob ich das wirklich will und nicht schon längst in der Gefahrenfalle gefangen bin. Nur selber können wir unser eigenen Technologieverhalten ändern und Geräte wie das iPad und iPhone zu unseren persönlichen Helfern zu machen.